Provokant klingt der Titel »Sex. Jüdische Positionen«, der Sonderausstellung im Jüdischen Museum Berlin, plakativ und doppeldeutig.
Das kuratorische Team präsentiert eine kontroverse und spannende, aus der ganzen Welt zusammengetragene Auswahl an Gemälden, Zeichnungen, Skulpturen aber auch Videoinstallationen, zeitgenössischen Medien und Audiobeiträgen.
Vielfältige jüdische Haltungen sollen beleuchtet und Stereotype gebrochen werden. Entsprechend ist die Ausstellung aufgebaut: Im vermeintlichen Widerspruch von »Pflicht« und »Vergnügen« oder »Erotik« und »das Göttliche« zeigt die Ausstellung in vier Kapiteln die Aktualität der traditionellen Debatten um Sexualität und jüdische Positionen.
Die räumliche Gestaltung nimmt die Architektur des Liebeskind-Baus auf und schafft den Rahmen für präzise Kompositionen von Blickbezügen auf die Objekte und deren Gegenüberstellungen. So finden auch teils explizite Darstellungen und Themen einen Platz in der Ausstellung: Man wird eingeladen, neue Blickwinkel auf Bekanntes einzunehmen, durch eine kluge und sensible Komposition können die Besucher*innen aber auch daran vorbei gehen ohne unmittelbar konfrontiert zu werden.
Die Installation des TumTums, einer raumgreifenden Häkelskulptur von Gil Yefman, aufgehängt im Lichthof des Liebeskind-Baus ist dabei ebenso ein Highlight wie die speziell für diese Ausstellung gefertigten Illustrationen der in Berlin lebenden Illustratorin Noa Snir. Sie hat 10 Episoden aus dem Babylonischen Talmud umgesetzt, welche innerhalb eines im Halbrund aufgehängten, einen eigenen Raum bildenden, Fadenvorhangs präsentiert werden.
Kommentiert wird die reduzierte Präsentation durch eine selbstbewusste Typografie und zarte Gesten: Limettengrüne, plakative Zitatbänder begleiten die Thementexte, deren neonpinke Kante sanft glüht, die Raumtexte sind auf dezent pink leuchtenden Stoffrahmen gedruckt.
Die Debatte um das Ausstellungsthema sollen auch die Besucher*innen führen und in Austausch miteinander treten. Das gelingt der Ausstellung mit großer Leichtigkeit: „Welches Kunstwerk hat bei dir welche Gefühle ausgelöst?“ ist eine von vier Fragen, die die Besucher*innen am Ende des Ausstellungsrundgangs auf unterschiedlichen – ebenfalls neonpinken – Karten beantworten können. Diese werden gesammelt und an einer Ausgabestelle am Eingang neu ankommenden Besucher*innen wieder zur Verfügung gestellt, die mit der Aufforderung „Was denkst du?“ in die Ausstellung entlassen werden.
Darüber hinaus runden viele weitere Vermittlungsangebote den Ausstellungsbesuch ab. So sind auf der Homepage des JMB einige der Künstler*innen zu hören, es werden Workshops angeboten und vieles mehr.
Im Anschluss wird die Ausstellung, die Kooperation mit dem Joods Museum Amsterdam entstanden ist, in der niederländischen Metropole gezeigt werden.
Auftraggeber: Jüdisches Museum Berlin |
Projektart: Sonderaussstellung |
Ort: Berlin |
Eröffnung: Mai 2024 |
Ausstellungsfläche: 800 qm |
Fotografie: Jüdisches Museum Berlin, Jens Ziehe |